Redoxverhältnisse

Zum Einfluss der Redoxverhältnisse auf die Virenelimination gibt es wenig einschlägige Literatur. Das Ergebnis von zwei Studien deutet darauf hin, dass die Elimination unter anoxischen gegenüber oxischen Verhältnissen geringer ist (Holzbecher et al. (2006), van der Wielen et al. (2008)), da die reduzierenden Verhältnisse zur Auflösung von Eisenoxiden führen, die sonst als Sorptionsplätze für den Virenrückhalt zur Verfügung stehen würden (van der Wielen et al., 2008). Bisher liegen auch keine einschlägigen Feldstudien vor, welche die Ableitung einer Eliminationsrate unter anoxischen Bedingungen ermöglichen würde. Der Großteil der vorliegenden Geländedaten wurde bei hohen Fließgeschwindigkeiten (d. h. > 3 m/d) erhoben, womit auch ein erhöhter Sauerstoffeintrag einhergeht, was meist zur Ausbildung oxischer Verhältnisse führt. Bei Fließgeschwindigkeiten < 1,5 m/d liegen meist sauerstoffarme bis sauerstofffreie Bedingungen vor (Bales et al. (1995); Schijven et al. (1999); van der Wielen et al. (2008)). Als Grenzwert zur Unterscheidung zwischen oxischen und anoxischen Verhältnissen wurde in diesem Entscheidungsunterstützungssystem eine Sauerstoffkonzentration von 1,1 mg/L O2 zugrunde gelegt (Schijven et al., 1999). Dieser Wert gibt jedoch nur eine grobe Orientierung.

Ein Parameter, der sich bei der Ausbildung des Redoxpotentials als von Bedeutung erwiesen hat, ist der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Sediment (C org ). Eine Studie, welche die Verteilung von Redoxzonen an der Uferfiltationsstrecke am Berliner Wannsee untersucht hat, zeigte, dass sich bei hohen C org -Gehalten (> 10 %) anoxische Verhältnisse ausbilden, während bei geringen C corg -Gehalten (< 10 %) oxische Zonen überwiegten, wobei die Grenze fließend ist (Massmann et al. 2008).

Ergebnisse von Laborsäulenversuchen (Frohnert et al., eingereicht bei Water Research) zeigten, dass die Eliminationsleistung der Phagen phiX174 und MS2 in den meisten Fällen in oxischen Verhältnissen um Faktor 3 bis 6 höher lagen als in anoxischen Verhältnissen (Tabelle 3). Da es sich dabei allerdings um Laborversuche handelt sind die Ergebnisse nicht direkt ins Gelände übertragbar. Wir legen daher an dieser Stelle nur einen Faktor 2 zugrunde, d. h. eine Eliminationsrate von 0,2 log/m (basierend auf der Fließgeschwindigkeit ≤ 0,5 m/d) wird bei Vorliegen von oxischen Verhältnissen um weitere 0,2 log/m erhöht.

Dabei werden die aufgrund der Ionenstärke ermittelten log Eliminationsleistung nicht mit verdoppelt, da Redoxbedingungen die Wirkungsweise der Ionenstärke (d. h. Aggregierung der Viren) vermutlich nicht begünstigen. Ähnliches gilt für die Fe/Al-Belegung, die bereits durch das Redoxmilleu bedingt sind. Ferner schlagen wir bei einer Fließgeschwindigkeit von 0,5 – 1,5 m/d aufgrund der geringeren Kontaktzeit eine Erhöhung der Eliminationsleistung um 0,1 log/m vor.

Tabelle 3: Eliminationsraten von MS2 und phiX174 aus Laborsäulenversuchen (Länge: 55 cm; Frohnert et al., eingereicht bei Water Research). „worst case“ bezeichnet die schlechtesten gemessenen Bedingungen während des Versuches.

  Removal
Oxisch [log/m]
Removal
Anoxisch [log/m]
Faktor
[ox./anox.]
phiX174 3,5 1,1 3
MS2 2,6 0,4 6
phiX174 0,8 0,6 worst case
MS2 1,2 0 bzw. 0,2 worst case

Hinweis zur Überprüfung des Systems: Bei der Erfassung der Redoxverhältnisse auf der Uferfiltrationsstrecke ist Vorsicht geboten, da durch unsachgemäße Beprobung Sauerstoff in die Probe eindringen und somit zu einem erhöhten Messwert von Redoxpotential oder Sauerstoffkonzentration führen kann.
Die meisten Uferfiltrationsstrecken haben am Anfang einen kürzeren oxischen Abschnitt, gefolgt von einem anoxischen Bereich. Für die Berechnung am Ende der Abfrage ist es wichtig, dass Sie die Länge der oxischen Fließstrecke kennen. Ggfs müssen Sie die Berechnung zweimal durchführen: einmal mit der Streckenlänge des oxischen Abschnitts und einmal mit der Länge des anoxischen Abschnitts.

Hinweise zur Messmethodik: Die Redox- bzw. Sauerstoffmessungen lassen sich einfach mit einer Sonde durchführen. Nähere Informationen dazu findet man in den entsprechenden DIN-Vorschriften (Redox DIN 38404-6, Sauerstoff DIN EN 25814:1992-11). Der zeitliche und finanzielle Aufwand beider Methoden ist sehr gering. Chemisches Fachpersonal ist dafür nicht zwingend erforderlich. Allerdings ist auf Sauerstoffausschluss bei der Beprobung und auf eine gute Pflege der Messsonden zu achten (siehe dazu Hinweis zur Überprüfung des Systems).